Harald Genzmer(1909–2007)

1909-02-0909.02.1909 in Bremen, Deutschland
2007-12-1616.12.2007 in München, Deutschland
maleKomponistDE

Konrad Ewald

Die Werke für Bratsche von Harald Genzmer betrachte ich als zu den besten Stücken der neueren Violaliteratur gehörend. Der Komponist spielt selbst Bratsche, sonst wären diese Musiken gar nicht möglich. - Die Grundtonart der (ersten) Sonate ist D-dur. Der 1. Satz (Fantasie) beginnt mit einem «mässig bewegten» 4/4-Takt; es folgt ein Abschnitt im 9/8-Takt (Lebhaft). Man braucht ziemlich flinke Finger, um diesen Teil im vorgeschriebenen Tempo zu meistern. Es folgen noch einige Takte wieder im ersten Tempo, der Abschluss ist wieder «lebhaft». Der 2. Satz besteht aus Thema und fünf Variationen. Die letzte, zugleich das Finale, erinnert in ihrer gleichbleibenden Sechzehntelbewegung an den Schluss der 2. Sonate und an die «Burleske» in der Solosonate.
Die 2. Sonate beginnt mit einem heftigen, zügigen Allegro im 3/4-Takt. Nur keine Angst vor Septimen. Das Adagio gehört zur schönsten modernen Musik; sie ist so selbstverständlich wie Mozart. Nichts Erzwungenes ist zu finden; echte Spannungen und Entspannungen geben diesem Satz ein wahrhaft klassisches Gepräge. Man erschrecke nicht vor den kleinen Notenwerten: Man zählt ja die Achtel, und bei den schwersten Stellen kann man sogar die Sechzehntel zählen. Der 3. Satz ist schwer wegen des raschen Tempos (Presto im 12/8-Takt). Er erinnert stark an den lebhaften Teil des 1. Satzes der 1. Sonate. Er ist ein bezauberndes «Scherzo», das im Pianissimo verschwindet. Im 4. Satz geht dem Vivace eine Tranquillo-Einleitung voran, in der das thematische Material präsentiert wird. Das Ringen um (oder Spiel mit?) B und H finden wir in der Solosonate wieder. Ein typischer Genzmer (und wesentlich leichter) ist auch die Sonatine.
Genzmers Sonate für Bratsche allein ist für mich die beste Violasolosonate überhaupt; ich wiederhole das hier, obwohl ich wegen dieser Äusserung schon gerügt worden bin. Sie ist klar, nicht überladen mit allen möglichen Mätzchen, nicht mit Doppelgriffen und Akkorden «ausgestattet», in sich geschlossen, sie klingt. Mit einem gewissen technischen Rüstzeug und mit Üben sollte man sie erobern können. Es ist nur schade, dass solche Werke kaum bekannt sind. Den 1. Satz könnte man mit «aperto» charakterisieren. Der zweite (Tranquillo, con sordino) gehört zum Schönsten, was man auf der Bratsche spielen kann. Wiederum natürliche, selbstverständliche Musik. Die Burleske, ein Perpetuum mobile, ist schwer wegen des Tempos. Auch das Finale muss man üben, aber es lohnt sich.
Auch im viersätzigen Konzert spürt man in jedem Takt den Bratscher. Ausser diesem Konzert gibt es noch ein (leichteres) Kammerkonzert mit Streichorchester (Allegro/Tranquillo/Variationen über ein russisches Volkslied) und ein bewusst einfach gehaltenes Notturno für Horn oder Viola und Streicher.
Und in den 80er und 90er Jahren meldet sich Harald Genzmer nochmals mit kleiner und feiner Kammermusik: ein Duettino für Flöte und Viola und ein Duo mit Violine.

Werke

Sonate für Bratsche  Duo für Violine und Bratsche Duettino für Flöte, Bratsche (Violine) Sonatine, für Bratsche und Klavier 1. Sonate D-dur, für Bratsche und Klavier  2. Sonate für Bratsche und Klavier  Trio für Flöte, Bratsche und Harfe Notturno für Horn (Bratsche) und Streicher Kammerkonzert für Bratsche und Streicher Konzert für Bratsche und Orchester